Der Kelch des Leids…

Bevor ich damit beginne, mich dem Roman „Dystopie“ zu widmen, möchte ich euch ein wenig erzählen von den vergangenen Monaten. Sie haben mich verändert.

Ich erfuhr, dass ich tief in mir das schockierende und traumatisierende Erlebnis des Todeszeitpunktes meiner Mutter „verwahrte“ und dieses mich im Alltag immer wieder stark in Mitleidenschaft zog, ohne dass ich das irgendwie gewusst habe oder gar beeinflussen hätte können.

Ich war damals noch ein Kind und habe mir Zeit meines Lebens geschworen, dass ich nie wieder so schwach wie damals sein wollte.

Mein Vater hatte mich losgeschickt, Hilfe zu holen bei dem Vermieter unseres damaligen Ferienhauses aus der Insel Ameland. Das war 1969. Ich sah meine Mutter blau angelaufen und röchelnd im Bett und lief los. Der Vermieter hatte einen kleinen freilaufenden sehr bissigen Kampfhund, der mich sofort angriff und biss. Ich hatte fürchterlich Angst und schrie verzweifelt und versuchte gleichzeitig, den Schmerz der Bisse zu ertragen und den Hund abzuwehren, was mir aber nicht gelang. Der Vermieter merkte es irgendwann und ich rief ihm zu, dass wir sofort einen Arzt benötigen, weil es meiner Mutter sehr schlecht gehe.

1969 – ich wartete an der Straße für mich Ewigkeiten. Irgendwann tauchte ein roter Renault 4 auf und ein junger Arzt mit Tasche lief mit mir los zum Haus.
Ich erinnere mich, wie er meine noch blauer angelaufene Mutter versuchte zu reanimieren und auf ihr saß und schwer arbeitete.

Dann stand er auf, packte seinen Arztkoffer und sagte zu mir:“Es tut mir so leid, mein Junge. Ich konnte nichts mehr für sie tun. Sie ist leider verstorben!“

All die Jahrzehnte habe ich den Schmerz verdrängt und erst durch mir persönlich widerfahrene Angriffe im beruflichen Umfeld kam dieses, inzwischen zu einem Merkmal meines inneren Kriegers gewordene Rüstungszeug wieder zum Vorschein. „Nie mehr wollte ich schwach sein. Ich wehre mich!“

Es war ein sehr schmerzlicher Prozess und ich habe so etwas wie eine eigene Kartesis erlebt als ich lernte, mit meinem Krieger zu reden und mich auszutauschen. Dank einer sehr weisen Psychotherapeutin, die mich in vielen Wochen eines stationären Klinikaufenthalts behandelte, lernte ich den Grund für meine Reaktionen kennen. Ein kindliches Trauma. Selbst beim Verfassen dieser Zeilen laufen die Tränen über mein Gesicht. Es ist wahrlich schmerzhaft, doch es ist auch befreiend. Der Zwiespalt zwischen gegen mich persönlich durchgeführte Angriffe und diesem mich beschützenden Krieger in mir, ist das Momentum für schwere depressive Geschehnisse in mir. Und ich bin noch lange nicht am Ziel angelangt und tagtäglich spüre ich Verzweiflung, Angst, aber auch Wut und Mut. Es ist wie ständiges Achterbahn fahren.

Leider leide ich an Depressionen und muss mich sehr anstrengen, dass sie mich nicht lähmen und verzweifeln lassen. Doch ich habe den Umgang mit meinem „Krieger“ gelernt, der mich immer nur beschützen wollte, damit ich „stark“ bin und mich wehre.

Zurückblickend sind viele meiner Texte von diesem bis unlängst unbearbeiteten Trauma beeinflusst. Ich lasse sie absichtlich wie sie sind, denn nun geht es weiter.

Und auf diese Weise kann meine Leserschaft auch die an mir stattgefundenden Veränderungen vielleicht nachvollziehen und oder für sich darüber nachdenken, was ihr in ihrem persönlichen Schicksalsbereich widerfährt und wie sie damit umgehen wollen, können oder vielleicht sogar sollten.

Das lasse ich jetzt erst einmal so stehen und vielleicht erfreut sich ein Teil meiner Leserschaft über weitere Texte.

 

Ein Teilausschnitt des Romans „Dystopie“ hat für viele Ereignisse gesorgt, die ich an anderer Stelle meiner Blogarbeit detaillierter erläutern werde. Die Zeit schreitet weiter voran und es gibt dazu noch viel zu erzählen und mit Originaltexten zu unterlegen.